… the AG Spiele
AG Spiele in den Digital Humanities im deutschsprachigen Raum
Spiele sind weltweit zirkulierende transkulturelle Unterhaltungsmedien und bedeutsame kulturelle Artefakte mit einer langen Tradition. Aufgrund ihrer großen phänomenologischen Vielfalt, zahlreichen und heterogenen Nutzer:innengruppen und Einflüssen sind sie integraler Bestandteil persönlicher Biografien und Identitätsfindung, sowie von Kultur, Netzkultur und Alltagskommunikation und haben signifikanten Einfluss auf andere Kunstformen, akademische sowie politische und gesellschaftliche Diskurse. Ihre Eigenart einzig als operative und/oder interaktive Medien in Erscheinung zu treten, provoziert spezifische Theorien und erfordert besondere Methoden und Werkzeuge zu ihrer Erforschung.
Die AG Spiele will innerhalb des Forschungsdiskurses der Digital Humanities die seit mittlerweile drei Jahrzehnten bestehenden Arbeiten der Game Studies um neue formale und quantitative Perspektiven erweitern und Spiele dabei in ihren vier Dimensionen1 erfassen: Als technische Konstrukte zeigen sich Spiele in zahlreichen Erscheinungsformen materieller (analoge und digitale elektronische Videospiele, elektro-mechanischen Spiele, analoge und digitale Computerspiele) und immaterieller (Programme, Schaltungen, Source Codes) Provenienz, die unterschiedliche Methoden und Verfahren der Erfassung und Beschreibung fordern. Als historische Objekte stellen sie Medien(inhalte) mit vielfältigen Historien dar, welche bis in die 1940er-Jahre zurückreichen und ein gewaltiges Archiv an Artefakten und Paratexten/-objekten hervorgebracht haben. Als ästhetische Artefakte produzieren Spiele audiovisuelle, haptische und andere Ausgaben, die spezifische ästhetische Traditionen markieren, technikhistorische Marker darstellen und je eigene Rezeptionsweisen hervorbringen; sie erfordern Akkommodationsleistungen ihrer Spieler:innen über unterschiedlichste technische Schnittstellen und beschreiben aisthetische Wechselwirkungen zwischen den sensuellen und technischen Dispositiven der Mensch-Technologie-Interaktion. Als kulturelle Ausdrucksformen bilden sie besondere Nutzungsweisen ihres regulären und irregulären Gebrauchs heraus, provozieren die Formierung lokaler, nationaler und internationaler sozialer Gruppen mit mediennahen und -fernen Bezügen (von LAN-Parties bis zu Cosplays) und eigenen kulturellen Ausdrucksformen, dienen als Kommunikationskanäle und als Objekte von Gegenkulturen. Im Rahmen von spielkulturellen Praktiken wie dem Retrogaming werden mittlerweile historische Gegenstände durch die (Re)Aktualisierung bzw. dem Re-enactment von Nutzungsweisen in gegenwärtigen Kontexten neu formiert.
Diese Dimensionen sollen theoretische und praktische Projekte der AG Spiele untersuchen und hierzu einzelne und Gruppenbeiträge im interdisziplinären Austausch zwischen Game Studies, Kultur- und Medienwissenschaft, (Kunst)Geschichte, Elektrotechnik, Informatik, Humanwissenschaften sowie angrenzender Bereiche realisieren. Konkret wären dies zum Beispiel:
- der Aufbau von Datenbanken zu spezifischen Aspekten der vier genannten Dimensionen,
- die Entwicklung von gegenstandsadäquaten Verfahren und Methoden zur Erfassung operativer/interaktiver Medieninhalte,
- die Entwicklung von standardisierbaren Metriken, Datenformaten und Zitationsstilen für Spiele,
- der Einsatz eines erweiterten Text-Begriffes, der neben natürlichsprachlichen auch formalsprachliche, diagrammatische und technisch-real(isiert)e Ausdrucksformen von Spieloberflächen und -unterflächen erfassbar macht,
- die kritische Reflexion des Widerstreits zwischen Cultural Heritage Preservation und Urheber- und Nutzungsrechtsproblematiken,
- sowie die damit zusammenhängende Problematik der gegenstandsadäquaten Bewahrung von Spielen, sowie Möglichkeiten ihrer Erforschung und didaktischen Vermittlung.
Eingeladen an der Mitarbeit in der AG Spiele sind alle, die sich wissenschaftlich mit Spielen in den genannten vier Dimensionen beschäftigen und nach neuen Methoden ihrer Erforschung im Rahmen der Digital Humanities suchen und sich darüber austauschen möchten.
1 Die ökonomische Dimension der Games Industry wird hierbei ausgeklammert, da sie auch kein dedizierter Gegenstand der geisteswissenschaftlich orientierten Game Studies ist. Ebenso sollen nicht solche Spiele, die zur Gamification von DH-Projekten eingesetzt werden, oder Serious Games, die zur didaktischen Vermittlung von DH-Gegenständen verwendet werden, als solche in der AG verhandelt werden (wohl aber als Artefakte in den beschriebenen vier Dimensionen, womit die AG eine Selbstreflexion über diese Aspekte der DH anböte).